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Krebs: Hauptursache Zufall?

Einige Gewebe sind millionenfach anfälliger für Krebs als andere – wie eine aufsehenerregende neue Studie zeigt, entscheidet vor allem der Zufall über eine Erkrankung

Für Krebs gibt es unzählige Ursachen und Risikofaktoren. Wie eine im Fachjournal Science veröffentlichte Studie von Forschern der Johns Hopkins University in Baltimore (USA) aber zeigt, spielen sämtliche Lebens-Stil-Faktoren aber eine relativ geringe Rolle. Hauptursache dafür, dass bestimmte Krebsarten häufiger auftreten als andere, sind zufällige Mutationen.

 

foto: thimfilm/petro domenigg Manuel Rubey als krebskranker Johnny Gruber. "Krebs ist keine Frage von Schuld", sagt Onkologe Alexander Gaiger.

foto: thimfilm/petro domenigg Manuel Rubey als krebskranker Johnny Gruber in der Romanverfilmung „Gruber geht“.

 

Unterschiedliche Häufigkeit

Cristian Tomasetti und Bert Vogelstein vom Johns Hopkins Kimmel Cancer Center untersuchten, wie oft sich Stammzellen in verschiedenen Gewebetypen im Laufe eines Menschenlebens durchschnittlich teilen. Der Gedanke dahinter: Je häufiger sich eine Zelle teilt, desto anfälliger ist sie auch für Mutationen.

Die Ergebnisse verglichen die Forscher mit Statistiken zu Krebsrisiko und Fallzahlen. Es zeigte sich, dass bestimmte Gewebetypen mitunter millionenfach häufiger Krebs entwickeln als andere. Dass es einen Unterschied in der Häufigkeit bestimmter Krebse gibt, ist schon seit Jahrzehnten bekannt, nicht aber, dass dieser so eklatant ausfällt. Nach Ansicht der Forscher sind Mutationen in den Stammzellen für etwa zwei Drittel der Unterschiede in der Häufigkeit (Varianz) von Krebsarten verantwortlich, und nicht etwa Lebensstil-Faktoren.

 

Vergleich mit Autounfall

Die Forscher vergleichen das Risiko einer Krebserkrankung mit dem eines Autounfalls. Je länger die Autofahrt, desto höher auch die Gefahr eines Unfalls – je länger man lebt, desto eher bekommt man Krebs. Die Straßenbedingungen, mal besser, mal schlechter, seien analog zu Lebensstil und Umwelt, der Zustand von Motor und Antrieb eine Metapher für die genetische Grundausstattung, mit der man auf die Welt kommt.

Und mechanische Probleme wie kaputte Bremsen oder abgenutzte Reifen erhöhen natürlich das Unfallrisiko, genauso wie eine überstrapazierte Leber oder eine Raucherlunge das Krebsrisiko. All das spielt eine Rolle, mit Abstand am Entscheidendsten ist laut den Forschern aber die Länge der Fahrt. Je länger, desto höher automatisch die Unfall- bzw. Krebswahrscheinlichkeit.

 

Vieles doch in unserer Hand

Dem Vergleich zufolge gibt es zwar Faktoren, die man selbst beeinflussen kann, aber wenn das Wetter nicht mitspielt, die Straße sich irgendwann massiv verschlechtert oder das Auto auseinander fällt, hilft alles nichts. „Ein langes Leben ohne Krebs bei Menschen, die etwa rauchen, hat wenig mit ‚guten Genen‘ zu tun. Die meisten hatten einfach Glück“, sagt Studienautor Bert Vogelstein.

Wie die Forscher betonen, liege es auch trotz der ernüchternden Ergebnisse an uns, alles zu tun, um Krebs zu vermeiden. Viele Faktoren liegen eben doch in unserer eigenen Hand. Und schließlich beugt ein gesunder Lebensstil nicht nur Krebs, sondern auch unzähligen anderen Krankheiten vor. 

Originalpublikation: Variation in cancer risk among tissues can be explained by the number of stem cell divisions